Digitales Stadtgeflüster am 09.09.2020

Am 09. September fand um 18:00 das zweite digitale Stadtgeflüster mit den Themenschwerpunkten Innenstadt, Raumplanung und Stadtgrün statt. Bei diesem digitalen Workshop waren Vertreter*innen der Stadtgemeinde Tulln, Fachexpert*innen und interessierte Bürger*innen anwesend. DI Agnes Feigl (Expertin für Stadtgrün), DI Anita Mayerhofer (Expertin für Stadtentwicklung) und DI Matthias Zawichowski (Experte für Mobilität) unterstützten uns an diesem Abend mit ihrem Fachwissen. 

Nach einer kurzen Vorstellung der Fachexpert*innen durch Bürgermeister Mag. Peter Eisenschenk und dem Team von nonconform sowie einem kurzen Warm-up mit allen Teilnehmer*innen (Fragen: „Wie viele Ideen haben Sie bisher eingebracht?“, „Wieviele digital geführte Stadtspaziergänge haben Sie besucht?“) stellte das Team von nonconform für alle anwesenden Bürger*innen die Aufgabenstellung des Beteiligungsprozesses vor und gab einen kurzen Rückblick was bisher geschah. 

Um die Ziele und Herausforderungen der Tulln Strategie 2030 zu beleuchten, gaben die Expert*innen einen kurzen Fachinput in Form einer Präsentation. 

Die Inputs wurden mit der Methode Graphic Recording von nonconform mitgezeichnet und später um die Fragen der Expert*innen an die Bürger*innen (türkis) ergänzt.

Nach dem Ideenrückblick auf die von 17. August bis 09. September gesammelte Ideen stellte nonconform den Fachexpert*innen folgende Frage: „Was wollt ihr als Fachexpert*innen heute von den Tullner*innen erfahren? Welche Info von der Bevölkerung ist für euch für die Finalisierung der Tulln Strategie 2030 hilfreich?“ Mit diesen Fragen gingen wir dann direkt in die Themenräume.  

Themenraum Stadtgrün | DI Agnes Feigl

Als Grundlage für den Themenraum Stadtgrün ergaben sich vorab folgende Fragen:

Die Diskussion startete mit der Idee von Gemeinschaftsgärten, die nicht nur das Bedürfnis nach Garteln erfüllen, und v.a. Kindern das Anbauen von Gemüse, den Stellenwert von regionalen Produkten näher bringen können, sondern mit dem sozialen Aspekt auch für Menschen mit eigenem Garten interessant sein können. 

Neue Wohnformen abseits des Einfamilienhauses erfüllen die Bedürfnisse nach Privatsphäre und Grün auf andere Weise: Nicht mehr der große eigene Garten, sondern das „kleine Eigene“ (der Balkon oder die Terrasse) und das „große Gemeinsame“ (der Gemeinschaftsgarten) stehen in Vordergrund. Bei neuen, verdichteten Wohnprojekten sollen jedenfalls qualitätsvolle Grün- und Freiräume geschaffen werden, die auch zur Klimaanpassung und Biodiversität beitragen. Ein Best-Practise-Beispiel dafür ist die Aufstockung auf dem Kiga am Zeiselweg mit Wohnungen – für solche Projekte gibt es in Tulln auch eine hohe Nachfrage! 

Optimal ist dabei ein Garten in der Wohnhausanlage, größere Gemeinschaftsgärten können aber auch weiter weg sein. Wichtig für die gemeinschaftliche Nutzung ist, klare einfache Regeln auszuhandeln, um mit Konfikten bestmöglich umgehen zu können. 

In Zukunft wird es für die Stadt Tulln mehr Gestaltungsspielraum bei Neubauten geben:  

Lt. neuem Raumordnungsgesetz ab Oktober wird es möglich sein, Begrünungen – z.B. Bäume, Fassaden- und Dachbegrünungen – und auch Oberflächen vorzuschreiben. Das betrifft sowohl private als auch gewerbliche Flächen. Die Gemeinde muss das lediglich in einer Verordnung entsprechend regeln und kann es dann – für Neu, ZU- und Umbauten – als Bescheidauflage exekutieren. 

Im Bestand besteht der Spielraum vornehmlich bei den gemeinde-eigenen Flächen. Eine gute Möglichkeit, im Bestand zu entsiegeln und zu begrünen stellen z.B. Parkplätze dar – immer mehr Gemeinden entsiegeln Parkplätze und pflanzen etwa statt jedem fünftem Parkplatz einen Baum. 

Um ein durchgängiges grünes Netz für eine gute Stadtkühlung zu schaffen, ist es wesentlich, soviel als möglich auch im Bestand Grün „aufzurüsten“. Dabei ist es wesentlich, in dem kleinteiligen Stückwerk von Leitungen, Straßeneinbauten etc. jede Möglichkeit für Begrünung zu nutzen – jeder einzelne Baum ist wichtig! Am Hauptplatz z.B. ist Begrünung aufgrund der Tiefgarage nur punktuell möglich und kostenintensiv, es wird jedoch gerade geprüft was an mehr Begrünung und Beschattung dennoch umsetzbar ist. 

Konkret werden zwei Piloten ins Auge gefasst, die einen wesentlichen Beitrag zum grünen Netz bilden und als Leuchturmprojekte die Positionierung der Gartenstadt Tulln festigen: 

Der Platz ums Rathaus (Nibelungenplatz und Minoritenplatz) soll als wesentlicher Teil des grünen Netzes intensiv begrünt und entsiegelt werden; und ein größeres Gebäude in der Innenstadt soll als Musterhaus für ein klimafittes Gebäude nach den Standards aus dem Fachkonzept für Stadtgrün entwickelt werden. 

Mehr dazu ist auf dem digitalen Flipchart nachzulesen! 

nonconform fragt.

Die entscheidenden Fragen, die sich aus dem Workshop ergaben und die wir an die Stadtgemeinde Tulln, an die Fachexpert*innen und an die Tullner*innen weitergeben möchten sind: 

Das Musterhaus für ein klimafittes Gebäude: Wo könnte das sein und mit welcher Nutzung? Ist es für das Haus der Digitalisierung wirklich schon zu spät oder könnten die Standards aus dem Fachbeitrag für Stadtgrün noch in die Planung integriert werden? Ist ein zur-Verfügung-stellen des eigenen Gartens für gemeinschaftliches Garteln eine interessante Option für Menschen, die nicht mehr alles selber pflegen wollen oder können? Könnten mit sog. Grünpatenschaften Anrainer z.B. die Pflege von Grünflächen in ihrer Straße übernehmen, um die Stadt Tulln zu unterstützen? 

Themenraum Innenstadt & Wirtschaft | DI Matthias Zawichowski und Mag. Robert Gutscher

Als Grundlage für den Themenraum Innenstadt & Wirtschaft ergaben sich vorab folgende Fragen: 

Zu Beginn wurde darüber gesprochen, wie eine Attraktivierung der Erdgeschoss-Zone und in weiterer Folge eine lebendige Innenstadt bei zukünftigen Zu- bzw. Umbauten sichergestellt werden kann. Eine wesentliche Rolle nimmt neben den Bauwerbern die Stadtverwaltung ein. Eine Möglichkeit wäre die Installation eines städtischen Beirats, der für die Beurteilung zukünftiger Bauvorhaben in Bezug auf die Gestaltung der EG-Zone zugezogen wird. Der Beirat könnte hierfür einen Kriterienkatalog bereitstellen und fachliche Unterstützung für die Bauwerber während des Bewilligungsprozesses anbieten. Wichtig dafür sind Überlegungen zum Handlungsspielraum des Beirats, das Setzen von zeitlichen Fristen für die Bewilligung sowie die Kriterien. Eine weitere Überlegung hinsichtlich der Attraktivierung stellt auch die Anzahl der Parkflächen vor den EG- Zonen dar. Hierzu könnte eine Anpassung des Stellplatzschlüssels vorgenommen werden, die eine Ausweitung des öffentlichen Verkehrs zur Folge hat.  

Hinsichtlich der Nutzungen bzw. Zwischennutzungen der EG-Zone wurden unter anderem Ateliers, Repair-Cafès, Co-Working Spaces, Indoor-Spielplätze sowie Pop-Up-Stores vorgeschlagen.  

Mehr dazu ist auf dem digitalen Flipchart nachzulesen! 

In Bezug auf die wesentlichen Veränderungen des Arbeitsalltags in Verbindung mit der Digitalisierung stand vor allem der „Arbeitsraum“ im Fokus. Aktuell ist eine starke Tendenz zum sogenannten „Remote- Office“, also der Arbeit außerhalb des Büros aufgrund von COVID-19 bemerkbar. Die wesentlichen Merkmale dieser Arbeitsplatzgestaltung sind die Arbeit von zu Hause oder einem anderen Standort aus sowie die primäre Kommunikation per Telefon, E- Mail bzw. anderer Kommunikations-Tools. Da viele Arbeitnehmer aber dennoch einen Arbeitsplatz außerhalb der eigenen vier Wände bevorzugen, wurde konkret auf die wesentlichen Kriterien eingegangen, die für eine gute Arbeitsumgebung in beispielsweise Co-Working Spaces notwendig sind: 

Im nächsten Schritt wurden auch Überlegungen zu „Satellite-Offices“ angestellt. Arbeitgeber haben hierbei die Möglichkeit, kleinere Büroeinheiten außerhalb des Hauptstandortes zu installieren. Dies würde eine Attraktivierung für die Arbeitnehmer bedeuten, da dies ein Wegfallen der langen Pendelzeiten bedeutet, und andererseits hätte der Arbeitgeber Fachkräfte vor Ort und somit die Möglichkeit den Markt an anderen Standorten auszuweiten. Gerade aufgrund Tullns Ruf als Technologie-Standort wäre dies ein attraktives Angebot für größere Firmen und damit ein Anlass, an solche Firmen heranzutreten. In weiterer Folge wurde auch über eine eventuelle Verortung von Co-Working Hubs diskutiert. Ein Beispiel dafür wäre das Goldmann-Areal, das gerade für Start-up-Unternehmen interessant sein kann. Eine weitere Verortung für mögliche Start-up Hubs stellt der Unicampus dar.  

Mehr dazu ist auf dem digitalen Flipchart nachzulesen!  

nonconform fragt.

Die entscheidenden Fragen, die sich aus dem Workshop ergaben und die wir an die Stadtgemeinde Tulln, an die Fachexpert*innen und an die Tullner*innen weitergeben möchten sind: 

Welchen Handlungsspielraum hätte der Beirat für die Gestaltung der EG-Zone? Wie sehen die zeitlichen Fristen und der Ablauf für die Bewilligung aus und welche Kriterien müssen zukünftige Bauvorhaben erfüllen? Weiters ergibt sich auch die Frage, ob es eine Vermittlungsstelle für alternative Nutzungen und Zwischennutzungen braucht. Wie kann die Vermittlung ablaufen? Welche Voraussetzungen sind für künftige Betreiber dazu notwendig? Wie kann die Stadtgemeinde Tulln als Standort für „Satellite Offices“ kommunizieren und wie sieht die Kommunikation auch hier mit künftigen Betreibern aus? Welche Standorte, vor allem auch in Bezug auf Leerstände, eignen sich für Co-Working bzw. Start-up Hubs? In wie weit muss die bereits vorhandene Infrastruktur (z. B. Internetverbindungen, Öffentlicher Verkehr etc.) angepasst werden um den Standort zu attraktivieren? 

Themenraum Raumplanung | DI Anita Mayerhofer

Als Grundlage für den Themenraum Raumplanung ergaben sich vorab folgende Fragen:

Bodenressourcen gut nutzen 

Die Arbeitsgruppe startete mit einer persönlichen Geschichte einer Teilnehmerin, deren Mutter als Witwe nicht mehr im Einfamilienhaus leben möchte, weil es für sie alleine zu groß und zu viel Arbeit ist. Die Dame wird in die Innenstadt ins Frankhaus ziehen. Die Frage, die sich auftat, war, was denn dann mit dem Einfamilienhaus passiert? Diese kurze, persönliche Geschichte eröffnete die Diskussion, was mit zukünftig leerstehenden Einfamilienhäusern passieren soll/kann, wenn ihre Bewohner*innen ausziehen. Als erste Idee kam die „WG mit Garten!“ – für die Studentenstadt Tulln. Woher erfahren diese jungen Leute, dass es Einfamilienhäuser gibt, die eventuell vermietet werden? Hier könnte die Stadt Austausch-Plattformen schaffen.  

Das Thema der Einfamilienhäuser warf eine weitere Frage auf: „Wie können wir Ressourcen (Grund und Boden, Gebäude) gut nutzen?“ Als Best-Practise Beispiel wurde der Kindergarten Zeiselweg beschrieben. Hier befindet sich in der Erdgeschoßzone ein Kindergarten und darüber Wohnen mit Dachgärten – eine kompakte Nutzungsmischung im Sinne der sozialverträglichen Dichte. Die Überlegung kam auf, dass dieses Projekt als Parade-Vorzeige-Projekt für zukünftige Wohnprojekte dienen kann.  

Welche Nutzungsmischungen wären noch für Tulln vorstellbar? Erwähnt wurde die Aufstockung von eingeschossigen Tankstellen, die vergleichsweise sehr viel Bodenressourcen verschwenden. Weitere Bestandsgebäude mit Potential wären das alte Zollamtsgebäude und beim Finanzamt die alten Hackenhöfe. Als Nutzungsmischungen sind auch die Kombination Einkaufen in der Erdgeschoßzone und Wohnen in den Obergeschoßen vorstellbar. Gebäude mit einer hohen Nutzungsdurchmischung unterstützen das Konzept der Gartenstadt mit den kurzen Wegen und bringen mehr Lebendigkeit in die Wohngebiete. Solch ein Wohnprojekt, auf das die Stadtgemeinde Tulln stolz sein kann, würde einen Motivationsanstoß zum Weiterdenken an innovativen Wohnprojekten geben. 

Sozialer Aspekt bei Wohnbauten 

Im Zusammenhang mit Nutzungsdurchmischungen kam die Frage auf, wie generationsübergreifendes Wohnen, also das Zusammenwohnen von Alt und Jung, gut miteinander funktionieren kann. Einerseits kann generationsübergreifendes Wohnen einen Gewinn für alle darstellen (keine Vereinsamung im Alter, Möglichkeiten wie Leihomis und Kinderbetreuung, voneinander lernen usw.) andererseits birgt das Zusammenleben unterschiedlicher Generationen mit verschiedenen Bedürfnisse Konfliktpotential. Es stellt sich die Frage: „Wie kann die Nutzung von Gemeinschaftsflächen gut funktionieren? Wie geht die Implementierung, die Begleitung?“ Möglich wären Gemeinschaftsflächen mit bestimmten Regeln wie z.B. dass vor dem barrierefreien Eingang keine Fahrräder abgestellt werden dürfen, damit auch die Rollstuhlfahrer*innen ungehindert passieren können.  

Beim Thema Konfliktpotential zwischen „lauten und leisen Bedürfnisse“ wurde festgestellt, dass bei Gemeinschaftsflächen die Frage gestellt werden muss, was dort passiert, und auch wann, wo und wie was passiert. Jugendliche brauchen aneignungsfähige Orte in der Stadt, an denen sie auch laut sein dürfen/können. 

Bewusstseinsbildung 

Dass Innenentwicklung vor Außenentwicklung ein richtiger Weg für Tulln ist, darüber waren sich alle einig. Klar ist aber auch, dass hier noch viel mehr Bewusstseinsbildung geschaffen werden muss, denn im ersten Moment vermittelt die Aufstockung eines Gebäudes in der Stadt mehr Herausforderungen anstatt Vorteile. So bedeutet ein größeres Gebäude mehr Platz für Bewohner*innen – mehr Leute bedeutet mehr Verkehrsaufkommen und mehr Parkplatzbedarf obwohl doch die Flächen um die Gebäudegrenzen für Bepflanzungen freigehalten und nicht versiegelt werden sollen (siehe Vortrag und Workshop zum Thema Stadtgrün).  

Es müssen hier von Anfang an diese nachwirkenden Veränderungen mitgedacht werden und konkrete Lösungsvorschläge (z.B. geringerer Stellplatzschlüssel, kein Parken vor der Haustüre, etc.) aufgezeigt werden – so ist die Chance zur Akzeptanz für Innenentwicklung bei der Bevölkerung viel höher. 

Mehr dazu ist auf dem digitalen Flipchart nachzulesen!  

nonconform fragt.

Die entscheidenden Fragen, die sich aus dem Workshop ergaben und die wir an die Stadtgemeinde Tulln, an die Fachexpert*innen und an die Tullner*innen weitergeben möchten sind: 

Wie würde ein Vorzeige/Pilot-Wohnprojekt (ähnlich wie der Kindergarten Zeiselweg) in Tulln aussehen, das die Anforderungen an „Stadtgrün und Innenentwicklung“, „konfliktfreies und generationsübergreifendes Wohnen“ und „Nutzungsmischungen“ erfüllt? Gibt es dafür ein adaptierfähiges Bestandsgebäude in der Stadt oder eine freie Baugrundfläche, wo man dieses Gedankenexperiment durchspielen könnte? Wie könnten Informations-Austauschformate für leerstehende Einfamilienhäuser zukünftig aussehen? Weiteres stellen wir die Frage, wie Orte und Räume für Jugendliche mit unterschiedlichen Bedürfnissen in der Stadt ihren Platz finden, sodass es zu einem sich gegenseitig profitierenden und konfliktfreiem Miteinander Wohnen und Leben kommen kann.  

Abschlussrunde

Nach dem Arbeiten in den Themenräumen trafen wir uns alle noch zu einer gemeinsamen Schlussrunde im Hauptraum und stellten folgende Frage an die Teilnehmer*innen: „Was war Ihr heutiges Aha-Erlebnis?“ 

Viele Teilnehmer*innen waren beeindruckt von der Dichte und Vielfalt der Themen und Ideen die diskutiert und weiterentwickelt werden konnten. Viele nannten als einzelnes großes Aha die „Satelliten-Betriebsräume“, den Wunsch, auch im Freien digital arbeiten zu können, die kommende Raumordnungsgesetznovelle oder nahmen mit Freude zur Kenntnis, dass es einen Grundkonsens für „Grün vor Parkplätze“ unter den Teilnehmer*innen gab.  

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